Freie Software – Küche
Dies ist die Vorbereitung zu der SendungShow des Freien Wissens (600 MB, leider MP4). In der Sendung selbst ist es etwas anders abgelaufen. Trotzdem wollte ich das Skript hier zur Verfügung stellen.
Helge: Hier bei mir ist jetzt Matthias Kirschner, von der Free Software Foundation Europe, das ist die Schwesterorganisation der Free Software Foundation, die Richard Stallmann vor mehr als 20 Jahren in den USA gegründet hat, den wir hier gerade in dem Video gesehen haben. Matthias, da war jetzt viel von Freiheit und Software die Rede, und jetzt stehen wir in einer Küche, mit getrockneten Tomaten und Knoblauch. Warum denn das?
Matthias: Weil sich am Beispiel von Kochrezepten ganz gut erklären lässt, wie diese vier Freiheiten funktionieren, von denen Stallman eben gesprochen hat. Außerdem hat das so den Vorteil, dass wir am Ende etwas leckeres zu Essen haben.
Wir haben hier ein Rezept für ein Tomatenpesto, da kommen getrocknete Tomaten rein, Knoblauch, Pinienkerne, Parmesan, Olivenöl, Zitrone – das Rezept dafür steht hier in diesem schicken Kochbuch. Die Zutaten haben wir alle schon mal vorbereitet, wie sich das für eine gute Show gehört.
Jetzt habe ich also dieses Rezept hier. Das darf ich für jeden Zweck verwenden. Ich kann das Gericht an Geburtstagen oder auch Hochzeiten, in Deutschland genauso wie in Italien oder eben hier für Wizards of OS kochen. Das ist das was mit der ersten Freiheit gemeint ist: Die unbegrenzte Nutzung zu jedem Zweck.
In dem Rezept lese ich jetzt nach, was da alles rein gehört. Das ist sozusagen der Quelltext der Software. Ohne den Quelltext kann ich Software nicht verstehen.
Also schauen wir mal was wir hier haben: Tomaten, Knoblauch, Parmesan, Pinienkerne und das alles soll ich in den Mixer. Jetzt wird’s etwas laut und – fertig. Und das schöne ist, ich weiß wie es zustande gekommen ist. Das ist das was damit gemeint ist, dass ich die Freiheit haben soll die Funktionsweise des Programmes zu untersuchen und zu verstehen. Nicht wie bei einer Tütensuppe, bei der ich nicht weiß, was alles drin ist und die Rezeptur geheimgehalten wird.
So, mal probieren – eigentlich ganz lecker. Eigentlich könnte ich das nicht nur selbst essen sondern auch meine Freunden damit beglücken.
Helge: Mit dem Essen. Du bringst ihnen das Pesto mit.
Matthias: Genau, das ist das die eine Möglichkeit. Aber nicht nur das, wenn einer meiner Freunde selbst gerne kocht, dann kann ich ihm das Rezept für das Pesta auch weitergeben. Ich hab ja hier das Rezept in dem genau drin steht wie es gemacht wird. Wenn ich das weitergebe können auch andere Pesto essen wenn ich mal nicht dabei bin, oder ich muss nicht immer selbst kochen. Und alle anderen können selbst auch wieder wenn sie wollen das Rezept kopieren und an andere weitergeben. Das ist die dritte Freiheit, Kopien der Software weiterzugeben und anderen dadurch zu helfen.
Helge: Ist aber doch selbstverständlich, dass Du denen das mitbringen darfst.
Matthias: Ja finde ich auch, dass das selbstverständlich ist. Aber wenn Du jetzt mal an Software denkst, dann ist es das eben nicht. Unfreie Software darf ich eben nicht kopieren und weitergeben – das ist illegal. Es ist mir also verboten anderen Menschen zu helfen.
Helge: Das ist also das, was Stallman so aufgeregt hat?
Matthias: Ja, genau. Er findet es nicht gut, dass es uns verboten wird anderen zu helfen. Und er findet es gefährlich, wenn wir selbst nicht die Technologie verstehen dürfen die nahzu alle Bereiche unseres täglichen Lebens eingreift.
Helge: Und das war’s jetzt mit den Freiheiten?
Matthias: Nein, eine fehlt noch. Mir ist nämlich aufgefallen, dass ich das Pesto zwar ganz lecker finden, aber das könnte noch besser sein. Im Rezept steht da schon ein Vorschlag: ich soll Petersilie rein machen. Aber ich steh nicht so auf Petersilie, und ich finde auch, dass Basilikum viel besser dazu passt. Also mache ich da jetzt mal eine Handvoll Basilikum rein. Jetzt wird’s wieder laut.
Hm, ich finde das schmeckt schon besser, oder?
Helge: Ja, nicht schlecht.
Matthias: Und nun nehme ich die Kopie, die ich mir gemacht habe, und verändere die. Ich streiche nämlich Petersilie hier raus und schreibe Basilikum rein. Und so gebe ich jetzt das Rezept an meine Freunde weiter. Das ist die vierte Freiheit: Die Freiheit ein Programm zu verbessern, und die Verbesserungen an die Öffentlichkeit weiterzugeben, sodass die andere auch wieder davon profitieren können.
Weil ich das darf, schmeckt das Pesto meiner Freunde demnächst auch besser. Oder sie stellen fest, dass Ihnen noch was fehlt und fügen selber etwas hinzu. So ist das gegangen, seit das Kochen erfunden wurde. Die Leute haben ja nicht mit Ente mit Orangenfüllung und Kardammom-Rotkohl angefangen, sondern eher mit verbranntem Hirsch überm Lagerfeuer. Wenn jetzt niemand dem anderen verraten hätte, wie man’s besser macht, würden wir vielleicht heute noch verbrannten Hirsch essen, mit roher Baumrinde oder so. Schreckliche Vorstellung.
Helge: Alles gut und schön. Aber kochen können ja doch recht viele Menschen, programmieren nicht. Ich kann nicht Programmieren. Basilikum ans Pesto machen, das kann ich auch. Aber was hab ich jetzt davon, dass ich das mit Software machen kann?
Matthias: Na, zum einen könntest Du ja Programmieren lernen.
Helge: Dazu bin ich zu alt.
Matthias: Kommt ja immer darauf an wie viel du können willst. Überlege mal du hättest so viel Zeit wie du in deinem Leben bisher mit Kochen verbracht hast schon mit Programmieren verbracht, dann könntest du auch kleinere Änderungen an Programmen selbst vornehmen. Und wenn du etwas nicht selbst machen kannst, dann ermöglichen es ja die Freiheiten, dass es auch jemand anders, der besser programmieren kann als du, für dich erledigen kann.
Helge: Das klingt alles unglaublich gut. Aber da ist doch ein riesen Haken an der Sache: Die Programmierer müssen doch auch Geld verdienen. Wie soll das denn gehen, wenn die alle ihre Programme verschenken?
Matthias: Nun ja, frei von Freier Software, bezieht sich ja nicht auf den Preis, sondern auf die Freiheit. Freie Software darf ja auch verkauft werden und Freie Software wird auch verkauft. Bereits 2001 wurden 40 % Freier Software im Hauptberuf entwickelt. Viele Probleme sind einfach zu komplex um sie selbst zu lösen und sie von einem Freund lösen zu lassen. Eine vierstückige Hochzeitstorte oder die Zubereitung eines Kugelfisches machst du ja auch nicht selbst und höchstwahrscheinlich kann es auch keiner deiner Freunde. Da bezahlst du auch lieber jemandem Geld dafür, dass er das für dich macht. Genauso ist das bei Freier Software, wenn du selbst das Problem nicht lösen kannst musst du jemanden dazu bewegen es für dich zu lösen, manche Leute helfen dir für Geld, andere unentgeltlich aus anderen Motiven.
Helge: Super Sache...